- Artikel-Nr.: AFM_6672
- Veröffentlichung: 13.04.2018
- EAN: 884860190121
- Band: Dead City Ruins
- Label: AFM Records
- Setinhalt: 1
22 Stunden im Van, von Belgien bis nach Italien, und dann sowas: Dead City Ruins sollen eine Show in Rom spielen. Als sie ankommen, herrschen dort 36 Grad. Nur mit kurzen Hosen bekleidet stolpern sie aus ihrem runtergerockten Van, ein paar leere Bierdosen scheppern hinterher. Sänger Jake Wiffen muss heute noch lachen: „Die Jungs von der Hauptband Mastodon konnten uns nur noch entgeistert anstarren. Wir haben halbnackt und völlig verschwitzt unser Equipment ausgeladen, die Show ist eben das Wichtigste. Doch plötzlich hieß es: ‚Ihr könnt nicht spielen, die Zeit reicht nicht.’ Ein Wahnsinn. Naja… als wir so mit Mastodon rumstehen, ein paar Whiskey trinken und uns über unseren Van amüsieren, entspannt sich die Lage, und wir dürfen auftreten. Der Gig knallt, wir drehen durch, die Fans drehen durch, Mastodon klatschen uns ab, als wir von der Bühne gehen. Sowas passiert nur im Rock’n’Roll: Dass anfangs alles völlig im Arsch ist und trotzdem großartig endet. Man hält durch, lacht darüber und bekommt, was man will.“
Der Masterplan
Nach dieser Einstellung leben die fünf Rocker aus Melbourne, Australien nicht auf nur Tour, sondern jeden Tag. Seit acht Jahren lassen sich Dead City Ruins durch nichts von ihrem Weg abbringen. Die Band zieht durch, wie man so schön sagt, und das hört man dem neuen Album NEVER SAY DIE an: Diese Musiker spielen ihren Rock’n’Roll mit einer solchen Überzeugung, als hinge ihr Leben davon hab. Genaugenommen tut es das auch: „2015 haben wir alles verkauft, was wir besitzen, wirklich alles. Das Geld haben wir für Flugtickets ausgegeben und sind zehn Monate durch Europa getourt. Das war hart, aber großartig. Zurück in Australien gingen dann all unsere Einnahmen in das neue Album. Wir haben wirklich hoch gepokert: Wir wollten einen guten Produzenten, der weiß was er tut und das Geschäft kennt, und zwar hier und heute, nicht aus den Achtzigern. Er sollte uns helfen, die Songs so gut machen, wie es nur irgendwie geht, egal, was das kostet.“
James Lewis, heißt der Mann, ein Engländer, der zum Beispiel schon mit den Arctic Monkeys und Sunset Sons gearbeitet hat. Mit ihm schafft die Band, was sie sich vorgenommen hat: Aufgenommen in Melbourne, erklingt in jedem Track des Albums die ganze Leidenschaft der Akteure: NEVER SAY DIE hat Druck, viel Druck, aber eben nicht nur. Das geht tiefer. Dead City Ruins spielen mit einer Intensität, die die besten Rockplatten der Siebziger, Achtziger und Neunziger auszeichnet. Und dabei zeigen sie Seele. Led Zeppelin sind eben nicht nur Whole Lotta Love, Sabbath nicht nur Iron Man und Soundgarden nicht nur Outshined.
Jake, Tommy, Sean, Nick und Matthew setzen all ihre Chips auf NEVER SAY DIE: „Wir wollen und werden die nächste Stufe erreichen“, erklärt der Sänger, „Wir haben ein neues Label, neues Booking und ein neues Management. Jetzt stimmt alles, wir sind bereit. Das alles auf den Weg zu bringen und die Platte aufzunehmen, hat uns zwei Jahre gekostet, und sie waren hart.“ Aber genau deshalb heißt es nun ‘Volle Fahrt voraus‘ und ’Scheiß auf einen Plan B‘. „Unser Ziel ist es, von einer fantastischen Clubband zu einer Stadionband werden, die keiner aufhalten kann.“
Dead City Ruins denken weit über ihre Heimat hinaus: „Es gibt in Australien großartige Acts, aber man hört nie etwas von ihnen, weil es keine Szene für Rock’n’Roll und Heavy Metal gibt wie in Europa. Dort kann man in sechs Stunden durch zehn Städte in drei Ländern fahren. In Australien dauert es von Melbourne bis nach Sydney zehn Stunden, weiter bis nach Brisbane elf, nach Perth muss man fliegen. Und dazwischen gibt es: nichts. Wir haben viel in Australien gespielt, aber das reicht uns nicht. Also reisen wir ans andere Ende der Welt und greifen an.“
So läuft es seit den Anfängen: 2009 entsteht das aktuelle Line-up, schon 2011 touren Dead City Ruins mit ihrem ersten Album Midnight Killer zweimal durch Europa – in ihrem Van „Blue Bastard“. 2013 erscheint das zweite Album Dead City Ruins, im gleichen Jahr kehrt die Band mit Skid Row und Ugly Kid Joe für über 40 Shows nach Europa zurück. Das funktioniert so gut, dass sie 2014 für die Australien-Dates der gleichen Tour verpflichtet werden. Dave „Snake“ Sabo von Skid Row kommentiert später: „Den Jungs ist echt alles egal, Hauptsache, sie können vor Leuten spielen – wahrlich inspirierend! Der Geist des Rock’n’Roll lebt in dieser Band!“
Der Wahnsinn
Hunderte von Konzerten reißen Dead City Ruins runter mit Bands wie Fozzy, Orange Goblin oder Wolfmother. Sie fallen über Bühnen in winzigen Clubs genauso her wie in großen Hallen vor mehreren Tausenden Zuschauern. „Einmal haben wir in England für zwei Barkeeper gespielt“, erinnert sich Jake. „Touren ist verdammt hart. Man kommt nach stundenlanger Fahrerei an und stellt fest: Der Club hat keine PA, die ‘Musikerunterkunft‘ erweist sich als Hundehütte im Garten, und statt Drei-Gang-Abendessen gibt es ein paar trockene Sandwiches. Da muss man einfach durchziehen. Wir geben jeden Abend alles, Punkt. Schon mehr als einmal haben sich aus einem kleinen Konzert größere Gigs ergeben. Wir greifen den Stier einfach bei den Hörnern und lassen uns nicht abschütteln.“
Mitunter wird dieser Ritt ziemlich wild, was nicht zuletzt am Gefährt liegt: „Der erste ‘Blue Bastard‘ sah nach 50 Gigs in drei Monaten so zerstört aus, dass uns die Polizei in Deutschland ständig angeschrien hat, wir sollten damit bloß nicht auf der Autobahn fahren. Das Ding hatte nur für drei Leute vernünftige Sitze, alle anderen mussten mit dem Boden vorlieb nehmen. Den zweiten ’Blue Bastard‘ haben wir vor dem Haus eines Kumpels in London abgestellt. Aber weil jemand einen riesigen Penis auf das Dach gemalt hat, gab es ständig Beschwerden von den Nachbarn.“
Der Sound
Viele Songs entstehen ‘on the road’: Den dicken Rocker Dirty Water etwa schreiben Dead City Ruins in Belgien, wo sie in Tourpausen oft bei Freunden übernachten und – wie passend – in einer Bar proben. „Damals waren wir schon fünf oder sechs Monate unterwegs. Irgendwann kommt es einem dann so vor, also würde man sich nie mehr wirklich reinwaschen können.“ Das bluesige Rust & Ruins nimmt in der Schweiz Formen an, es geht um eine Trennung, „wenn von der Beziehung nur noch Rost und Trümmer übrig sind“, wie Jake erklärt. „Wir sind keine Band, die große epische Konzepte über mehrere Alben ausbrütet. Wir schnappen unsere Instrumente und legen los. Wir klingen, wie wir klingen, und wenn eine Idee Scheiße ist, wissen wir das nach fünf Minuten. Wenn es gut ist, spielen wir es live. Wenn die Leute dazu abgehen, kommt es auf das Album. Wir haben keine Zeit, uns mit unnötigem Ballast zu beschäftigen.“
Deshalb gibt es auf NEVER SAY DIE keine Wegwerfsongs, keine unnötigen Spielereien und keine mittelmäßigen Nummer-Sicher-Tracks. Das Album lebt, atmet, rockt, groovt. Vor allem schafft es den Spagat zwischen echter Leidenschaft, Tiefe und der Geradlinigkeit eines guten, alten Riff-Arschtritts – eine viel zu seltene Qualität. Das zeigt sich zum Beispiel im wütenden Bones, das jeden Kopf nicken lässt und gleichzeitig mit einem Ohrwurm beglückt. In Devil Man bringen die Gitarristen verschiedene Sounds in ihre Riffs: „Früher gab es bei uns nur alte Gitarren und alte Amps, voll aufgedreht. Diesmal schaffen wir mehr Abwechslung, es gibt Höhen und Tiefen und alles dazwischen.“ Im hymnischen We Are One schließlich singt Jake darüber, wie Menschen bei einem Konzert eins werden, lauthals mitsingen und ihre Fäuste in die Luft recken. „Ich weiß ja nicht, wie es anderen Leuten geht, aber wenn wir live spielen, kommt es mir so vor, als würde ich in eine andere Dimension übertreten. Die besten Shows sind die, an die ich mich nicht erinnern kann. Vielleicht ist dieser Zustand ja das, wonach Meditierende seit Jahrhunderten suchen: Wenn nichts anderes mehr zählt, wenn man sich im Moment verliert und man mit 100 Fremden eine neue Stufe der Hysterie erreicht – das ist das Wunderbare am Rock’n’Roll.“
Dafür werfen Dead City Ruins mit NEVER SAY DIE alles in die Waagschale, was sie haben. Und wenn das schief geht? Jake lacht nur: „Es geht immer irgendwas schief. Dann würfeln wir einfach nochmal. Wir lassen uns nicht aufhalten.“
TRACKLIST:
01. Devil Man
02. Bones
03. Dirty Water
04. Rust And Ruin
05. The River Song
06. We Are One
07. Destroyer
08. Raise Your Hands
09. Lake Of Fire